„Keine Kampfansage, sonst hängt die in der Kabine“
Beim Ortstermin für diesen Bericht nach dem Dienstagstraining spendierte Kaiser dem Team Würstchen, Brötchen und Kaltgetränke. Er war in der vergangenen Woche 30 Jahre alt geworden. Die Stimmung des Teams war entsprechend der Tabellensituation. Die Betreuer Markus Stark und Michael Wingenfeld grillten, das Trainerteam flachste. Ein paar Spieler schnappten sich die Musikbox und verschwanden in der Sauna. Und Kaiser? Der kündigte an, dass er in Zukunft nach jedem Dienstagstraining Würstchen mitbringt, gelänge der prestigeträchtige Derbysieg.
Was auffiel? Die beiden ticken sehr ähnlich. Sie sind selbstbewusst – oder würde sich ein Kaiser sonst mit einer Glitzerkrone ablichten lassen? Sie sind bedacht, scheuen Kampfansagen gegenüber den ehemaligen Kollegen. Nachtragend sind sie ebenfalls nicht. Und sie widersprechen sich während des Interviews nicht ein einziges Mal.
Steigerung um 100 Prozent
Beide, Torwart Kaiser und der 31-jährige Innenverteidiger Fuß, steckten im Vorjahr in der gleichen Situation. Kaum bis wenig Spielzeit bei der SG Barockstadt. Das sollte sich ändern. Und hat es. Standen die beiden in Fulda auf dem Abstellgleis, sind sie in Hünfeld sogleich zu Führungsspielern gereift. Kaiser blieb in fünf seiner neun Einsätze ohne Gegentor, Fuß wird bescheinigt, dass er die Abwehr führt und Innenverteidiger-Partner Steffen Witzel noch besser gemacht hat.
Damit konfrontiert, gehen sie entspannt um. Der eine, Kaiser, führt das stabile Defensivverhalten auf das gesamte Team zurück. Nach der 2:3-Pleite in Erlensee ganz am Anfang sei ein Ruck durchs Team gegangen. Danach sei klar gewesen, dass jeder immer alles reinwerfen müsse, damit das Team die ganz vielen engen Spiele erfolgreich bestreitet. Der derzeitige Erfolg sei ein Verdienst aller Spieler – inklusive Ersatzkeeper Fabian Brunner. Der andere, Fuß, schiebt hinterher, dass Witzel und er sich privat gut verstehen. Das wirke sich auf dem Platz aus.
Die Zahlen des HSV gleichen im Vergleich zum Vorjahr einer Steigerung von 100 Prozent. 18 statt seinerzeit 9 Punkte. Doppelt so viele geschossene Tore, halb so viele Gegentore. Platz vier als Zwischenzeugnis mit guten Aussichten auf die kaum für möglich gehaltene Aufstiegsrunde. Sie sind der Meinung, dass sicherlich fünf Teams besser aufgestellt seien.
Beim Fußball zähle aber zum Glück nicht nur die individuelle Qualität. Die höchste davon, na klar, vereine ligaweit ihr Ex-Club. Der Verein, die Spieler, das Umfeld, ja die ganze Region lechze nach der Regionalliga. Sie würden es den alten Kameraden gönnen.
Klamotten werden wieder selbst gewaschen
Einen Neidfaktor gibt es nicht – im Gegenteil. Kaiser hat einen Stammtisch mit Patrick Schaaf und Julian Pecks. Fuß ist mit Dennis Müller ganz eng. Freundschaften weit über den Fußball hinaus sind entstanden. Unabhängig vom heutigen Spielausgang werde Barockstadt aufsteigen, glauben sie. Und natürlich gebührt die Favoritenrolle im Duell der besten, aber doch ungleichen osthessischen Teams, heute ab 15 Uhr allein dem Gast.
Ungleich? Die Umstellung sei für das Duo problemlos gewesen, aber Luxus wie das Waschen der Trainingsklamotten gibt es in Hünfeld nicht. In der HSV-Familie geht alles beschaulicher zu. Anders sei das, aber ebenfalls schön. Zumal die Stimmung gut ist. Die käme, natürlich, nicht zuletzt durch den sportlichen Erfolg. Der Klassenerhalt ist bereits im Winter erreicht, sollte das Team sich für die Aufstiegsrunde qualifizieren. Keinen Gedanken verschwenden die beiden daran. Weil die nächsten Spiele schwer sind, weil die Mannschaft tatsächlich immer nur das nächste Spiel in den Fokus nähme.
Fuß und Kaiser erst recht, sie haben schon eine Menge erlebt. Vermitteln Ruhe auf dem Feld und zahlen die Hoffnungen, die bei der Verpflichtung in sie gesteckt worden waren, bislang konsequent zurück. Gelingt Kaiser heute sein sechstes Zu-Null-Spiel und trifft Fuß zum ersten Male für den neuen Club? Nein, so etwas wollen sie nicht hören. Sie wollen realistisch bleiben und maximal ein tolles Fußballfest versprechen.