Vereinstreues Mentalitätsmonster Steffen Witzel hört au

 

Die Schmerztabletten fliegen in die Ecke

Steffen Witzel hat 25 Jahre die Knochen für den Hünfelder SV hingehalten. In wenigen Wochen beendet der 31-Jährige seine Laufbahn in noch jungem Alter – und auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit. Doch die Gründe sind offensichtlich.

Wer sich am Mittwochabend das Aufwärmprogramm des HSV anschaute, musste der Meinung sein, dass Witzel gar nicht in der Startelf steht. Während sich der Rest des Teams intensiv auf das Kreispokalhalbfinale in Dittlofrod vorbereitete, dehnte sich Witzel ein wenig auf und trabte gemächlich über den Platz. „Vielleicht kann ich ja in der Halbzeit raus“, sagte er und fragte sich selbst: „Mal sehen, wie ich drei Spiele in einer Woche verkraften soll.“

Mentalität ist nicht zuletzt Erziehungssache. Ich bin von meinen Eltern entsprechend sozialisiert worden.

Steffen WItzel

Witzel spielte dann doch 90 Minuten, musste sich beim 6:0-Sieg allerdings nicht verausgaben, denn als Innenverteidiger verlebte er diesmal einen ruhigen Abend. Im Hessenligaalltag ist das anders. Dort beißt sich Witzel durch. Wenn es sein muss mit Schmerztabletten. Alles für das Team, alles für den Verein. Seit Jahren betreibt er diesen Raubbau am eigenen Körper. Er ist ein Inbegriff für Mentalität und ein Grenzgänger, wenn es darum geht, den eigenen Körper an dessen äußerstes Limit zu führen. Den ersten Kreuzbandriss erlitt er schon als B-Jugendlicher. Immer wieder warfen ihn Knieverletzungen zurück und doch bringt er es auf weit mehr als 300 Pflichtspiele für „seinen“ HSV.

Steffen Witzel kann in Hausschuhen auf die Rhönkampfbahn

Er ist 500 Meter von der Rhönkampfbahn entfernt aufgewachsen und hat sich nun ein Haus mit Sichtkontakt gekauft. In sein zweites Wohnzimmer kann er mit Hausschuhen laufen. Lukrativen Angeboten anderer Vereine widerstand er stets – und fühlt sich nun bestätigt. „Ich spiele mit meinen Freunden Fußball. Vereinstreue gibt mir eine Menge zurück“, sagt er, der sich an seinem Hobby nicht bereichert. Denn der selbstständige Fliesenleger, der die Firma mit seinen Eltern Stefan und Regina führt, zählt selbst zu den Gönnern des Vereins.

Apropos Eltern: Diesen, ist sich Witzel sicher, hat er seine Mentalität zu verdanken. „Von kleinauf habe ich Ferienjobs gemacht, in der Firma angepackt“, erinnert er sich und beteuert: „Mein Vater kann schon nicht verlieren und ich erst recht nicht.“ Wenn er dabei ins Erzählen gerät, fühlt er sich plötzlich alt, denn manch jungem Mitspieler spricht er diese Eigenschaften ab: „Mit welchen Wehwehchen Spieler nicht spielen, kann ich nicht verstehen.“

Dem Hünfelder SV bleibt Steffen Witzel treu

Er entschied sich im Winter dazu, die Laufbahn nach dieser Saison zu beenden, wird dann Co-Trainer und will sich später im organisatorischen Bereich des Vereins einbringen. Ein im November erlittener Kieferbruch sei der endgültige Wink mit dem Zaunpfahl gewesen. Frau Anika und Sohnemann Samu freut das. Denn noch schmerzen die Knie nur beim Sport. Und das soll bitteschön so bleiben. Doch zuvor will er den Klassenerhalt einfahren. „Nichts ist unmöglich“, behauptet er und ist überzeugt: „Wir können noch 13 Punkte aus den verbleibenden fünf Spielen holen und dann reicht es und ich kann gebührend Abschied feiern.“ Am Sonntag (15 Uhr) soll in Ginsheim der Anfang gemacht werden.

Parallel sind der SV Steinbach (in Zeilsheim) und Buchonia Flieden (in Walldorf) gefordert. Für Flieden gilt tabellarisch das gleiche wie für Hünfeld: verlieren verboten. In der Aufstiegsrunde stehen nur zwei Spiele an: Während Stadtallendorf in Hadamar den vorletzten Schritt zum Titel machen kann, ist das Spiel von Neuhof in Dietkirchen bedeutungslos.

Ein typischer „Fliese“: Steffen Witzel ist sich für kein Kopfballduell zu schade und opfert für seinen Hünfelder SV vieles.

 

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